Warum pauschale Ansagen an Gruppen oft ihr Ziel verfehlen
- info249390
- 18. Juli
- 3 Min. Lesezeit
Nichts hat mich als Spieler mehr genervt als pauschale Ansagen an die Mannschaft. Dazu noch den Kommentar "ich weiß es trifft die falschen, aber es muss halt raus".
Ob in der Kabinenansprache, beim Teammeeting oder im Training: Pauschale Ansagen wie „Ihr müsst euch mehr reinhängen!“ oder „Da fehlt der Wille!“ gehören zum Standardrepertoire vieler Coaches. Doch so verständlich der Impuls ist, sie wirken oft nicht. Im Gegenteil: Pauschale Botschaften verpuffen oder erzeugen Widerstand. Warum das so ist, lässt sich gut erklären.

1. Die Wahrnehmungsverzerrung: Der andere ist gemeint
Psychologisch betrachtet neigen Menschen dazu, allgemeine Kritik nicht auf sich selbst zu beziehen – insbesondere in Gruppen. Dieses Phänomen ist bekannt als "Third-Person Effect" (Davison, 1983): Menschen glauben, dass allgemeine Aussagen andere stärker betreffen als sie selbst.
Beispiel: Wenn ein Trainer sagt „Ihr seid zu unkonzentriert“ oder dem Klassiker, "ihr müsst häufiger in Training kommen", denken viele: „Stimmt, aber ich war’s nicht.“ oder "Stimmt, aber ich bin da". Gebetsmühlenartig dieses zu wiederholen und oftmals die gleichen Empfänger anzusprechen, ist wenig hilfreich.
Fazit: Ohne konkrete Adressierung fehlt die persönliche Relevanz – und damit die Wirkung.
2. Zielgerichtetes Feedback schlägt Pauschalkritik
Laut der Feedback-Intervention Theory (Kluger & DeNisi, 1996) ist Feedback dann am effektivsten, wenn es spezifisch, aufgabenbezogen und individuell ist. Pauschale Aussagen dagegen sind oft diffus, lösen Unsicherheit aus und lenken vom eigentlichen Verhalten ab, das verändert werden soll.
Wissenschaftlich belegt: Meta-Analysen zeigen, dass unspezifisches Feedback („Seid besser!“) schlechtere Leistungsverbesserungen bewirkt als präzise Rückmeldungen („In der dritten Spielminute war deine Rückwärtsbewegung zu langsam“) (Hattie & Timperley, 2007).
3. Kommunikationspsychologie: Vier Seiten einer Nachricht
Nach Schulz von Thun (1981) enthält jede Nachricht vier Ebenen: Sachinhalt, Appell, Beziehung und Selbstoffenbarung. Pauschale Ansagen (z. B. „So gewinnen wir keinen Blumentopf“) können auf der Beziehungsebene als abwertend oder distanziert wahrgenommen werden, auch wenn sie als motivierend gemeint waren.
Folge: Statt Motivation entsteht Demotivation, Rechtfertigung oder Widerstand.
4. Gruppen sind keine homogene Einheit
In der Sozialpsychologie ist seit Langem bekannt, dass Gruppen heterogen sind – in Persönlichkeit, Leistungsstand, Motivation und Zielen (vgl. Tuckman, 1965). Eine Botschaft, die alle über einen Kamm schert, verfehlt diese Realität. Erfolgreiche Führung bedeutet, individuelle Unterschiede zu erkennen und zu adressieren (Bass & Avolio, 1994, Transformational Leadership Theory).
5. Was funktioniert stattdessen?
Individuelle Rückmeldung: Wer gezielt einzelne Verhaltensweisen lobt oder kritisiert, erreicht mehr.
Ich-Botschaften statt Generalisierungen: Etwa: „Ich habe den Eindruck, dass unsere Rückwärtsbewegung nicht konsequent genug ist – wie seht ihr das?“
Anknüpfung an Ziele: Aussagen wie „Wenn wir das Spiel heute gewinnen wollen, brauchen wir…“ sind zielfokussiert und lösungsorientiert.
Konkrete Verhaltensvorschläge: Etwa: „Achte beim Pressing auf den zweiten Ball – da verlieren wir aktuell zu viele Duelle.“

Fazit
Pauschale Ansagen an Gruppen klingen oft stark – sind aber psychologisch schwach. Sie ignorieren individuelle Unterschiede, erzeugen Abwehrreaktionen und bleiben meist folgenlos. Wer seine Botschaften differenziert, konkret und adressatengerecht formuliert, stärkt Vertrauen, Motivation und Wirkung.
Literaturhinweise
Davison, W. P. (1983). The third-person effect in communication. Public Opinion Quarterly, 47(1), 1–15.
Kluger, A. N., & DeNisi, A. (1996). The effects of feedback interventions on performance: A historical review, a meta-analysis, and a preliminary feedback intervention theory. Psychological Bulletin, 119(2), 254–284.
Hattie, J., & Timperley, H. (2007). The power of feedback. Review of Educational Research, 77(1), 81–112.
Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden 1: Störungen und Klärungen. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt.
Bass, B. M., & Avolio, B. J. (1994). Improving organizational effectiveness through transformational leadership. Sage Publications.
Tuckman, B. W. (1965). Developmental sequence in small groups. Psychological Bulletin, 63(6), 384–399.
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